Theater kennen wir: Entweder ist dies eine Situation, wo Menschen selbst nicht mehr bei sich sind oder wir verstehen darunter ein abendliches Vergnügen in einem bestuhlten Raum, mit kostümierten Schauspielern auf der Bühne, eine Geschichte spielend. Doch jetzt wurde das Wort „Theater“ in seiner Bedeutung erweitert: Dem Social Media Theater.
Auf cloudtells.de stieß ich vor ein paar Tagen über Twitter und konnte mir erstmal nichts darunter vorstellen. Das hat sich mittlerweile natürlich geändert, aber bevor ich Euch mit viel Text zuschütte, schaut lieber das Video dazu an:
Social Media Theater from Cloudtells on Vimeo.
Weil bei mir noch so viele Fragen offen waren, habe ich Dennis Nicolas Perzl, dem Gründer von Cloudtells, um ein Interview gebeten. Dennis lebt in Berlin und studiert derzeit an der Universität Potsdam Philosophie und Betriebswirtschaft. Aus seiner großen Theaterleidenschaft heraus, hat er Anfang 2011, gemeinsam mit einem sehr guten Freund, Cloudtells gestartet. Kurz nach meiner Interviewanfrage wurde Cloudtells zudem als Crowdfunding-Projekt auf startnext veröffentlicht – Dennis kann also noch viele Unterstützer bebrauchen. Wie, warum, wo, was und überhaupt – das erklärt er uns alles in dem Interview.
Dennis, Du hast Cloudtells ins Leben gerufen, ein einzigartiges Theater-Projekt im Social Web. Wie bist Du auf diese Idee gekommen? Was hat Dich inspiriert?
Die ersten Ideen dazu entstanden bereits 2009. Damals war es noch als Ergänzung zu einem „normalen“ Theaterstück gedacht. 2010 konnte ich das während einer Hospitanz an einem Theater in Regensburg zum ersten mal in der Praxis testen. Zusammen mit einem Schauspieler hab ich ein Profil für eine Figur aus dem aktuellen Stück erstellt und versucht, damit das Spiel zu erweitern. Im Laufe der Zeit hat sich die Idee immer weiter selbständig gemacht, sodass irgendwann der Gedanke im Raum stand, ein komplettes Theaterstück auf Sozialen Netzwerken aufzuführen.
Inspiriert hat mich dazu unter anderem ein Gespräch mit einem Regisseur, der sich gerade in der Vorbereitung zu seinem ersten Spielfilm befand und darüber beklagte, dass es doch kaum mehr möglich sein, ein Publikum für einen ernsthaften Film zu finden. Die junge Generation würde sich nur für YouTube-Videos interessieren und kaum die Zeit für einen Film über 120 Minuten nehmen. Diese Entwicklung ist nun ein wichtiger Gedanke in unserem Konzept. Indem wir eine Vielzahl kurzer Meldungen, Videos und Podcasts kombinieren, ermöglichen wir es, auch komplexere Inhalte im Internet zu erzählen.
Wie kann man sich die Planung eines solchen Theaterstücks vorstellen? Wie werden Ideen entwickelt, die Figuren gezeichnet und die Geschichte „gespielt“?
Wir sagen ja immer, dass wir Geschichten erzählen wollen. Deshalb muss ganz am Anfang auch eine gute Geschichte stehen. Zum Glück konnten wir eine Schrifstellerin für uns gewinnen, die, aller Voraussicht nach, das Skript zum nächsten Stück liefern wird. Danach ordnen wir die verschiedenen Textbausteine der jeweiligen Figur zu und überlegen uns, wie wir sie umsetzen wollen. Dialoge lassen sich mit einfachen Statusmeldungen darstellen. Wenn aber z.B. eine wichtige Handlung gezeigt werden soll, eignet sich ein Video dazu am besten. Danach müssen wir noch festlegen, wie lange das Stück insgesamt dauern und wann was passieren soll.
Wichtig ist aber, dass die Planung niemals abgeschlossen sein kann. Der Plan, den wir in den vorherigen Schritten entwickelt haben, kann jederzeit wieder komplett geändert werden. Wenn z.B. ein Zuschauer zum dem Stück stößt und eine interessante Frage stellt oder eine neue Idee einbringt, dann wird diese im Idealfall aufgenommen und kann den gesamten Verlauf der Geschichte beeinflussen. Natürlich haben wir ein Auge darauf, dass die Handlung in einer gewissen Bahn bleibt und bei einer Vielzahl von Ideen nicht ausufert. An oberster Stelle steht es immer, spannende Unterhaltung zu machen.
Es fließen also Ideen aus drei Richtungen in die Stücke ein. Zunächst gibt der Autor etwas vor, was als Grundgerüst dient. Die Umsetzung dessen liegt dann aber in der künstlerischen Freiheit der Schauspieler. Und zusätzlich bringen die Zuschauer ihre Gedanken ein.
Gespielt wird das Stück, indem wir zunächst etwas vorgeben. Wir legen für jede Figur einen Account auf den jeweiligen Sozialen Netzwerken an, verbinden diese untereinander und stellen die ersten Statusmeldungen, Fotos etc. online. Wie gesagt hat dann das Publikum die Möglichkeit darauf zu reagieren. Es kann entweder gebannt zuhören und darauf warten, was als nächstes passiert oder mit Kommentaren am Geschehen teilnehmen.
Das Theaterstück „Jonathan und das goldene Schwert“ lieft bereits am 23. April. Kannst Du uns kurz was zur Geschichte sagen und etwas darüber verraten, wie gut das Projekt beim Start angenommen wurde?
In diesem Märchen geht es um den jungen Schmied „Jonathan“, der in Zeiten des Krieges seinen Mut beweisen muss. Sein Vater, der unerwartete Fähigkeiten hat, die Liebe zu einer Frau und seine Unbescholtenheit bringen ihn dazu, dass ganze Land zu retten.
„Jonathan und das goldene Schwert“ ist sicherlich kein literarisches Meistwerk und soll nicht der Maßstab für weitere Stücke sein. Aber es war uns wichtig, das Konzept Social Media Theater einmal an einem Stück vorzuführen. Wir haben festgestellt, dass es für die Besucher unserer Seite viel leichter ist, sich etwas unter der Idee vorzustellen, wenn sie es an einem Beispiel sehen können. Deshalb ist es für uns auch nicht entscheidend, wieviele Zuschauer „Jonathan“ damals hatte, sondern dass wir es heute als Anschauungsmaterial nutzen können. Nichtsdestotrotz gab es einige schöne Momente, in denen man gesehen hat, dass das Konzept aufgeht. Wenn sich z.B. mehrere Personen in einer Kommentarspalte getroffen haben, um Jonathan, der sich in dieser Situation ziemlich dumm anstellte, die Meinung zu sagen.
Ich kann mir vorstellen, dass Cloudtells unglaublich viel Arbeit bedeutet. Was motiviert Dich? Hattest Du, oder hast Du Hilfe, die Dir unter die Arme greift?
Cloudtells machen wir derzeit zu zweit und werden von mehreren Personen unterstützt, die spontan ihre Hilfe angeboten haben. Das ist auch ein Punkt, der sehr motivierend ist. Es kommen immer wieder Leute auf mich zu, die fragen, ob sie mitmachen könnten. Es muss nicht einmal so weit gehen, dass sie sich aktiv einbringen. Jede Erwähnung auf Twitter, jedes Like auf Facebook und zu sehen, dass das Interesse da ist, ist jeden Tag wieder eine Motivation.
Zum Crowdfunding: Kannst Du uns kurz erklären, was Crowdfunding bedeutet und wie wir das Projekt unterstützen können?
Crowdfunding ist eine Möglichkeit der Finanzierung, die bisher vor allem von kulturellen Projekten genutzt wird. Dabei beschreiben die Macher auf einer Website, was sie vorhaben und wozu sie ein bestimmtes Kapital brauchen. Wem die Idee gefällt kann das Projekt dann mit einigen Euros unterstützen und bekommt dafür ein kleines Dankeschön.
In unserem Fall haben wir uns bei der Crowdfunding-Plattform Startnext registriert. Diese ist darauf spezialisiert und bietet uns den Vorteil, dass wir uns um die Organisation nicht kümmern müssen. Wer uns unterstützen möchte kann unter http://startnext.de/Cloudtells zunächst ein Fan werden. Sobald wir 50 Fans erreicht haben werden wir für die sogenannte Finanzierungsphase freigeschaltet. Zum Ziel haben wir uns gesetzt, 3500€ in einem Zeitraum von 3 Monaten einzusammeln. Nur wenn am Ende der Laufzeit diese Grenze erreicht ist, müssen die Unterstützer auch bezahlen. Falls wir das nicht schaffen entstehen niemandem Kosten. Crowdfunding funktioniert nach dem Alles-oder-nichts Prinzip.
Gibt es für´s nächste Social Media Theaterstück denn schon ein neues Thema und einen neuen Termin?
Für das nächste Stück gibt es bereits einige Ideen. Eine Entscheidung für ein bestimmtes Thema oder einen Termin ist aber noch nicht gefallen. Vieles hängt vom Erfolg der Crowdfunding-Kampagne ab. Erst wenn wir einschätzen können, welches Budget uns zur Verfügung stehen wird, können wir z.B. festlegen, ob und wie viele Schauspieler wir engagieren oder an welche Orten wir Videos aufnehmen können. Deshalb ist es sehr wichtig, dass wir möglichst schnell genügend Unterstützer finden.
Hab vielen Dank Dennis, für dieses tolle Interview! Ich hoffe, sehr bald mehr über Cloudtells zu hören und beim nächsten Mal mit dabei zu sein
Weitere Informationen zu Cloudtells findet Ihr auch auf dem Blog, auf Twitter und auf der Facebook-Seite.
Ich freu mich immer wenn sich jemand die Zeit nimmt ausführlich über etwas zu schreiben, von dem er/sie überzeugt ist und Begeisterung aufbringt. Insofern freu ich mich über den ausführlichen Hinweis zu Cloudtells, schätze ich werde mir das demnächst mal anschauen. Danke 😉 L.
Die Freude ist ganz meinerseits, wenn ich damit ein bisschen Aufmerksamkeit erregen konnte. Danke für Dein Feedback und Dein Interesse