Es ist 6:30 Uhr und der Wecker klingelt. Auf dem Bauch liegend und mit einem halb offenen Auge, taste ich auf dem Nachttisch nach meinem Android um es mit einem Handgriff ruhig zu stellen. Ich schließe das Auge gleich wieder und drehe mich langsam, sehr langsam auf den Rücken. Meine Lungen nehmen einen tiefen Atemzug in Form eines Gähnens zu sich wonach sich mein Kopf dem Fenster zuwendet und ich die Augen langsam öffne. Die Sonne scheint durch die Rollläden und ihr Licht wirkt im Zimmer dadurch wie weiche, weiß-gelbe Laserstrahlen. Schönes Wetter erleichtert mir das Aufstehen und so komme ich bald auf die Füße, schlürfe ins Bad, in die Dusche, an die Kaffeemaschine und an den Kleiderschrank. Fertig angezogen geht´s erstmal zurück ins Wohnzimmer, wo meine bessere Hälfte plötzlich vor mir mit einem riesigen Rucksack auf den Schultern auftaucht: „Heute gibt´s Ostwind und ich geh´ in Reinhardsmunster fliegen. Kommst Du mit? Am Wochenende soll´s wieder grütze werden“. „Sehr witzig“, raunze ich ihm mit einem Anflug von Morgenmuffeligkeit entgegen. „Ich muss ins Büro, schon vergessen?“
Vor ein paar Tagen habe ich auf unserem netmedia Corporate Blog eine Blog-Parade zu „Wie ist dein Arbeitsplatz der Zukunft?“ gestartet und länger darüber nachgedacht, ob es angebracht ist, sich selbst zu beteiligen oder nicht. Ist es gewollt und überhaupt authentisch? Könnte der Eindruck entstehen, die bereits geschriebenen Beiträge wären nicht gut genug oder zu wenige? Dann entschied ich mich aber doch etwas zu schreiben, denn erstens scheinen sich meine Befürchtungen nicht zu bewahrheiten und zweitens platze ich, wenn ich meine Gedanken nicht aufschreiben darf. Würdet Ihr die Schweinerei wegmachen wollen? Seht Ihr.
Und so soll er sein:
Mein ganz persönlicher Arbeitsplatz der Zukunft ist die totale Symbiose von Berufs- und Privatleben – mit allen Vor- und vielleicht Nachteilen. Als Angestellte in der Zukunft bin ich mehr Unternehmerin als 9-5-Jobber. Das bedeutet, rund um die Uhr für die Firma da zu sein aber sich selbst auch Auszeiten zu nehmen, wo ich sie nehmen möchte. Vertrauen unter den Kollegen und zu den Vorgesetzten wird groß geschrieben, Selbständigkeit, Engagement und Begeisterung für das was man tut. Natürlich auch Offenheit und Transparenz, denn das kann eine Vertrauensbasis nur fördern. Darum möchte ich für die Beantwortung der Frage, wie mein Arbeitsplatz der Zukunft aussieht ein paar Jahre in die Zukunft blicken und erörtern: Wie sieht mein Arbeitsplatz im Jahre 2023 aus?
Es ist 6:30 Uhr und mein Wecker klingelt nicht. Bei mir liegt kein Smartphone mehr auf dem Nachttisch, das mich aus dem Tiefschlaf schreckt. Stattdessen ertönt Vogelgezwitscher um mich herum und das Zimmer taucht sich langsam in ein warmes Licht. Ich strecke mich ausgiebigst, stehe auf und schau aus dem Fenster: Es ist noch finster draußen und Nachts hat der Schnee die Landschaft in weiche, weiße Watte gehüllt. Um das gelbliche Licht der Straßenlaterne sehe ich noch kleine Flocken herum tanzen. Der Bewegungsmelder in der Wohnung registriert, dass ich aufgestanden bin und informierte die Kaffeemaschiene, die die Wohnung nun mit frischem Kaffeeduft belebt. Beim Gang zum Waschbecken und unter die Dusche, werde ich von meinem elektronischen Assistenten in Form einer Stimme begleitet, die mich über meine anstehenden Aufgaben und Termine des heutigen Tages informiert: Wer hat angerufen? Wer hat welches Dokument geändert und stehen hierzu weitere Aufgaben an? Wer hat welchen Kommentar unter meine Statusupdates gepostet und möchte ich darauf gleich antworten oder für später eine Liste erhalten, die ich manuell durchgehe? Natürlich gibt es auch Infos zu den aktuellen Nachrichten über Politik und Wirtschaft aber auch spezielle Themen, passend zu meinen ganz persönlichen Interessen – Meinungen darüber auf Blogs und auf sozialen Netzwerken inklusive. Ach ja, und die Flugwetternachrichten natürlich. Denn wie sich herausstellt sollte ich um 13:30 Uhr, in warmen Funktionsklamotten gehüllt und mit meinem Gleitschirm auf dem Berg sein…
Bis dahin widme ich mich aber meinem neuesten Projekt: In Gemeinschaftsarbeit schreibe ich mit einigen anderen an einem Buch, das nie fertig wird. Denn 2023 aktualisiert sich unser Wissen mittlerweile so schnell, dass herkömmliche Fachbücher schon veraltet sind, sobald sie erscheinen. So haben sich einige Experten überlegt, ein sich ständig aktualisierendes E-Book herauszugeben, dessen monatliche Einnahmen durch Sponsoren und Leser, zum einen Teil zwischen den Autoren geteilt (in meinem Fall an die Firma gehen), zum anderen in Wohltätigkeitsprojekte fließen. Eins davon ist ein Projekt zur alternativen Energiegewinnung – denn schließlich braucht auch 2023 ein E-Book Strom damit es gelesen werden kann. Zudem lassen sich mittlerweile keine Geschäfte mehr machen, ohne sich Gedanken zur Nachhaltigkeit für Mensch und Umwelt gemacht zu haben – was ich persönlich nur unterstützen kann.
Nach ein paar Stunden kreativen Schreibens ist es endlich soweit: Ich ziehe ich mich warm an, packe alle anderen nötigen Sachen zum Fliegen ein und zu zweit machen wir uns gemeinsam auf den Weg zum Startplatz. Wir haben es mittlerweile nicht mehr weit, denn seit sich auch meine bessere Hälfte entschieden hat, beruflich Zeit- und Ortsunabhängig zu arbeiten, leben wir im schönen Annecy, direkt am See und unweit des Mont Blancs.
Die Stunden vergingen wie im Fluge…: Durchgefroren und -geschüttelt (ja, auch im Winter kann´s thermisch werden) sind wir gegen 16 Uhr wieder zu Hause. Ich ziehe warme Wohlfühlklamotten an und mache mir heißes Teewasser. Um fünf steht die wöchentliche Telko mit meinen Teamkollegen an und kurz vorher werde ich noch checken müssen, an welchen Gelegenheiten ich mal wieder ins schöne Saarland reisen kann. Denn der Kontakt vor Ort, darf für mich auch 2023 nicht fehlen. Zwar dient er weniger dem Austausch von Informationen (im Zeitalter von Social Software funktioniert das mittlerweile reibungslos), als mehr für den sehr geschätzten Kontakt auf menschlicher Ebene. Dieser stärkt das Vertrauen untereinander und macht sehr viel Spaß, was die Zusammenarbeit sehr erleichtert.
Für die Telko selbst sitze ich außnahmsweise ganz old School an meinem Schreibtisch, denn von hier aus kann ich den Ausblick auf den Lac d´Annecy und der beginnenden Dämmerung genießen. Mit dem seriellen Aufleuchten der Straßenlaternen und den einhergehenden Lichtspiegelungen auf dem Wasser, läutet sie langsam die blaue Stunde ein. Morgen ist Samstag und der Wetterbericht meldet Schneefall für den ganzen Tag. Ich entscheide die Gunst der Stunde nutzen und das ungünstige Wetter für die Vorbereitung meines Vortrages nutzen. Denn wer weiß, wann es unter der Woche wieder mal zum Fliegen geht…
Eine beeindruckende, sehr ganzheitliche Idee des Arbeitsplatzes in der Zukunft! Was mich daran am allermeisten beeindruckt ist, dass es so etwas wie „just in time“ nicht mehr gibt, sodass man seine eigene Zeit so effektiv wie möglich nutzen kann. Die gemeinsamen (Firmen-)Aktivitäten werden auf das Notwendigste reduziert, sodass man nahezu jederzeit unabhängig voneinander arbeiten kann.
An dieser Stelle darf mir eine Frage erlaubt sein. Wir wissen alle, dass selbst die größten Utopien immer schon auch Inspirationen waren. In wiefern denkst Du einschätzen zu können, ob es sich hier um eine uneingeschränkt umsetzbare Zukunftsrealität handelt, oder ob Du Deine recht konkrete Vorstellung doch als utopisch bezeichnen würdest?
Ben
Das ist eine gute und schwierige Frage. Als utopisch halte ich es beispielsweise nicht, dass sich Privat- und Berufsleben sehr stark verschmelzen. Das ist zum Einen für den Angestellten selbst von Vorteil aber auch für Firmen: Wer es guten Leuten ermöglicht selbständig zu arbeiten, wird auch gute Leute bekommen und bei sich halten können. Meiner Ansicht nach ist die Symbiose ein großer Gewinn für beide Seiten.
Was die Technik angeht, bin ich mir teil noch unschlüssig. Klar, Social Software gibt es bereits und ist daher schon mehr Gegenwart als Zukunft – wenngleich sie in der Zukunft vermutlich schon Standard sein wird, so wie E-Mail es heute ist. Utopisch ist vielleicht eher noch die Idee des technischen Assistenten als Stimme. Die Idee kam mir deswegen, weil ich morgens noch im Bett Nachrichten und Statusupdates lese bevor ich aufstehe. Die Überlegung war, diese Infos z.B. als Podcast vorlesen zu lassen. Unschlüssig bin ich mir, ob das wirklich nutzbar wäre ohne etwas sehen/lesen zu können. Beantwortet das Deine Frage?
Diese Beschreibung halte finde ich keineswegs für utopisch! Für mich ist es eher eine logische Fortsetzung der letzten Jahre.
Es gibt allerdings eine Einschränkung – diese Realität wird nicht für Arbeitsplätze im produzierenden Gewerbe möglich sein.
Das dachte ich auch mal, dass es nicht für das produzierende Gewerbe gelten könnte aber in abgespeckter Form, könnte ich mir das mittlerweile sogar sehr gut vorstellen. Ortsunabhängig funktioniert wahrscheinlich nicht, aber vielleicht zeitunabhängig: Ricardo Semler hat das in seiner Fabrik schon 1983 umgesetzt. Kann das Buch „Maverick“ dazu sehr empfehlen. Das habe ich auch unter Michael´s sehr lesenswerten und kritischen Beitrag kommentiert: http://mikelbower.de/blog/index.php/c76/suntne-angeli
Eine schöne Sache, aber ich glaube nicht, dass das so schnell Realität wird. Ich kann nur für Softwareentwicklung sprechen, die ist heute Teamarbeit. Keine Technik kann heute face2face Kommunikation ersetzen. Ich kann zwar jetzt nochmal eine Schippe technischen Fortschritt draufsatteln, aber selbst dann sehe ich das eher kritisch.
Jüngste Ereignisse ziehen einen interessanten Strich unter den technischen Fortschritt, den Bianca in ihrer Antwort auf meine Frage noch als „utopisch“ angesehen hat: neue Software erlaubt es, digitale Helferlein per Sprache zu steuern und die essentiellen Funktionen der Organisation auszuführen. So gesehen wirst Du, liebe Bianca, sehr bald wissen, wie das Wetter sein wird und was ansteht, bevor Du aus dem Haus gehst.
Die menschliche Seite scheint mir da etwas schwieriger umzusetzen zu sein. Wie Andreas bereits sagte, ist besonders bei enger Teamarbeit die körperliche Anwesenheit unbedingt von Nöten. Absprachen, die Abläufe innerhalb einer Gruppe entscheidend beeinflussen, sind unausweichlich und können mitunter nicht warten, weil der Workflow mit entscheidend für das Gelingen des Projektes ist.