Es ist ein starkes Stück, denn heute brach für mich eine Welt zusammen. Eine Welt, die ich mir wünschte und vorstellte, sie sei so wie sie ist. Nämlich bunt und schön, mit voller Freude, Freunde, netten und klugen Menschen um mich herum, intelligenten Gesprächen und tollen Events. Nun muss ich zu meinem Bedauern feststellen, dass ich mich irrte. Denn ein Professor vom Lehrstuhl für Psychiatrie an der Universität Ulm bescheinigte Nutzern digitaler Medien Depression, Orientierungslosigkeit und ein Schrumpfhirn.
Was war passiert? Nach einer Konferenz-Recherche stieß ich auf die Zukunft Personal, auf welcher der besagte Professor eine substanzhaltige Keynote mit folgendem Inhalt halten wird:
Digitale Demenz
Digitale Medien sind zweifelsfrei Teil unserer Kultur und Arbeitswelt. Dennoch gilt: Sie machen süchtig, schaden langfristig dem Körper (Stress, Schlaflosigkeit, Übergewicht mit allen Folgen) und vor allem dem Geist: Das Gehirn schrumpft, weil es weniger zu tun hat, der Stress macht zudem Nervenzellen kaputt und nachwachsende Zellen überleben nicht, weil sie nicht gebraucht werden. Die Symptome der digitalen Demenz sind die zunehmende Unfähigkeit, sich zu orientieren, d.h. zu wissen, wo man ist, was gerade los ist, und letztendlich sogar, wer man ist; ihre Folgen sind sozialer Abstieg, Vereinsamung, Depression, und ein um einige Jahre früherer Tod. Was können wir tun und was sollten wir tun?
Nun danke ich Ihnen für die direkten Worte, ich wäre zu dick. Mein Freund beantwortet mir diese Frage nur mit einem irritierten Kopfschütteln. Aber vermutlich ist das meiner Orientierungslosigkeit zu verdanken, dessen ich mir nun dank Ihrer wissenschaftlich fundierten Worte bewusst wurde. Himmel, wie ahnungslos ich war und so naiv! Zu glauben, dass ich durch die sozialen Netzwerke zu mehr Lebensqualität gelangte, weil ich dort tollen Menschen begegne, die mir so schnell nicht über den Weg gelaufen wären. Ich erlag in meiner Welt voll von schmetterlingspupsenden Einhörnern einer solchen unendlichen Freude und Leichtigkeit, sodass ich mir die tiefe meiner Trauer gar nicht bewusst sein konnte! Dieser ewigen Suche nach Anerkennung und Aufmerksamkeit, nach den echten, wahren Freunden… Wie glücklich ich doch war und doch so selig arm!
Doch Sie müssen recht haben, die Auswirkungen im Gehirn sind spürbar, wie sonst ist das regelmäßige Lachen und Gekicher vor einem Bildschirm zu erklären? Nach meinem Konsumverhalten bin ich mir jetzt sicher: Mein Gehirn sieht aus wie die verschrumpelte Rosine im Studentenfutter. Und nichts von dem, was ich bisher durch meine Leser, Follower und anderen Bloggern empfangen habe hat dazu beigetragen, dass ich klüger wurde. Nicht die tausend guten Tipps und nicht ihre Meinungen, die die eigene durch angeregte Diskussionen formte. Danke Herr Professor Dr. Manfred Spitzer. Jetzt weiß ich, wie sich ein depressives, orientierungsloses Schrumpfhirn fühlen muss. Gute Nacht.
Bildquelle: http://www.flickr.com/photos/larkez/3212806254/
Es muss Schlumpfhirn, die nächste zerebralevolutionäre (das hat nichts mit Cornflakes zu tun) Entwicklungsstufe, heißen.
Das war übrigens auch der „Fachmann“, der auf Egoshooter eine Sondersteuer fordert und mit so fundierten Experimenten wie: „Spitzer: Nun, Beispiel: Man lässt Leute ein gewalttätiges Computerspiel spielen oder eben was anderes und hinterher guckt man, wie gewalttätig sind die. Und auch das kann man experimentell messen. Man lässt sie zum Beispiel einen Drink mixen aus Tabasco und Wasser. Und wenn die vorher ein Gewaltspiel gespielt haben, dann tun sie mehr Tabasco rein. Sie können das in Gramm Tabasco messen, dass die Leute vierfach – die tun da wirklich viermal mehr da rein -, vierfach aggressiver werden. Und es gibt eine Reihe von solchen Tests, wo man Aggressivität ganz objektiv messen kann. Und mit solchen Methoden kann man rausfinden: Ja, da gibt es einen Zusammenhang. Wir wissen auch, dass der Anblick einer Waffe den Testosteronspiegel ansteigen lässt. Das wissen wir mittlerweile. Ihr männliches Sexualhormon, was auch Aggression macht, ja, geht rauf, einfach nur, wenn Sie 15 Minuten mit einer Knarre spielen. Und solche Mechanismen, die kann dann die Hirnforschung liefern.
“ beweisen zu haben glaubt, dass Killerspiele gewalttätig machen.
Für mich ist eher erschreckend, dass solch ein Wissenschaftler für einen Experten gehalten wird und immer wieder eingeladen wird, um sein meist sehr einseitiges Gedanken gut (Bildschirmmedien machen dumm, einsam und dick) und seine Pauschalfloskeln zu verbreiten.
Besides, zu den Thesen des ehrenwerten Herrn Dr. Spitzer und anderer Wissenschaftler seines Kalibers bietet auch mediaculture online einige Gegenargumente und Fakten: http://www.mediaculture-online.de/Vorsicht-Bildschirm.866.0.html
Aber ist einfach immer wieder schön, wenn man lernt, dass man sich so einfach blödsurfen kann. Oh, ne Katze.
Liebe Bianca, ich habe mich königlich amüsiert beim lesen, aber wahrscheinlich lüge ich mir gerade nur auch in die Tasche, weil ich mir meine tiefe Depression nicht eingestehen möchte.
Dieser Herr Spitzer gilt vor allem unter engagierten Eltern und Pädagogen als eine echte Koryphäe. Vermutlich schiebt man einfach gerne alles auf diesen neumodischen Kram. Hm.
Ist halt einfacher, Fehlentwicklungen auf Technikzu schieben statt auf Eltern und Lehrer. Die sind nie schuld.
Wenn mir mein Schrumpfhirn dieses Paralleluniversum vorgaukelt, will ich nicht aus dem Spieleparadies abgeholt werden!
@Uwe Hauck: Bitte nicht den Teufel mit dem Beelzebub austreiben. Die Schuld auf die Eltern und Lehrer abzuladen, ist auch nicht besser!
Was Dr. Spitzer da so vor sich hinformuliert ist wohl etwas über“spitzt“ (ha,ha, man entschuldige mir diesen Kalauer). Ich bin auch dankbar über die Möglichkeiten der digitalen Netzwerke, doch mit Facebook & Co. verhält es sich wie mit allen anderen Medien: kompetent genossen sind sie eine wunderbare Bereicherung des Lebens, übertrieben (= Tag und Nacht) einverleibt sind sie gefährlich. Solche Diskussionen hatten wir nach der Einführung des Radios, des Fernsehens, des PCs, der Ballerspiele und und und…
Am Sonntag lief im SR2 eine Sendung, wo dieser Autor recht ausführlich zu seinem Buch interviewt wurde: http://pcast.sr-online.de/play/fragen/2012-09-24_spitzer_digitaledemenz_23_9_12.mp3